Der Junior fährt heimlich hinter uns her. Irgendwie jedenfalls. So muss es sein. Anscheinend ist er für die adäquate Versorgung an Bord verantwortlich. Und das ist im Nordosten Frankreichs (Grand Est) bitter nötig. Denn hier ist es an vielen Stellen sehr leer und ich musste die letzten Tage bereits feststellen, dass selbst die süße kleine Bäckerei in Pfotennähe keine Selbstverständlichkeit ist. 

Viele Dörfchen, in die wir fahren, wirken wie ausgestorben. Die Straßen sind leer, die meisten Ladengeschäfte auch, von Restaurants ganz zu schweigen. Gut, zum Damenfriseur könnte ich in jederzeit und überall gehen. Das scheint wichtig zu sein. Aber einige dieser kleinen Landstriche machen doch einen sehr verlassenen Eindruck und ich denke mir, dass viele von dort weggehen. Viele Wohnhäuser sehen jedenfalls sehr einsam aus.

Das hat der Junior bestimmt gerochen. Denn am Abend des letzten Mittwochs tauchte er wie aus dem Nichts auf. Ich hätte eigentlich selbst drauf kommen können. Alles wurde von meinen Zweibeinern hübsch gemacht und aufgeräumt. Das Wetter wurde auf Sommer geknipst und schon war er da. Offenbar wurde das auch höchste Zeit, denn er hatte ein fast vollgeladenes Auto und für jeden was dabei.

Der Flohmarkt in Fontenoy-le-Chateau hatte es nicht so wirklich gebracht. Frauchen wollte ja Vieles, was auf dem Boot an Accessoires fehlt, unterwegs erstehen, damit sie  immer an das Reisen erinnert wird. Aber dieser Markt war kein typisch französischer, sondern eher eine Keller-Ausmist-Aktion. Also Sperrmüll auf dem Dorfplatz.

Frauchen hatte nebenbei mit ganz anderen Problemen zu kämpfen und kein wirkliches Auge für die einzelnen Stände. Sie versteifte sich an diesem Tag lieber darauf, ihre EC-Karte zu verlieren, sie dann sperren zu müssen, nur um sie am Ende wiederzufinden. Nicht jeder Landgang ist hier die Entspannung pur. Für ein bisschen frisches Gemüse und das obligatorische Schmuckstück hat es dann doch noch gereicht. Auch für das Essen musste an diesem Tag nicht gesorgt werden. Es gab einen Stand mit Steak-Sandwich und einer guten Flasche Wein. Für die Menschen! Ich wurde mit ein paar billigen Pommes abgespeist. 

Apropos Essen

Dachte ich in Metz noch, meine Existenz sei gesichert, wurde es in diesem Teil des Landes mit der Jagdbeute meiner Leute zunehmend dürftig. Das geht allen Bootskollegen so, die wir jeden Abend wunderbarerweise am neuen Anlegeort wiederfinden. Kurz nach dem Aussteigen und Strom legen (falls es überhaupt welchen gibt) wird Kontakt mit dem Rest der Meute aufgenommen und die allgemeine Restaurant,- Bäcker- oder Supermarktlage besprochen. Dienstag sind wir zum Beispiel extra nicht ganz so weit gefahren, weil es in Selles ein leckeres Restaurant geben sollte. Kaum, dass wir angelegt hatten, stellte sich die Lokalität, die in Reichweite der Liegestelle lag, entgegen gewisser Informationen aus dem Internet als zuverlässig verrammelt heraus. Und man darf sich an dieser nicht vorstellen, dass es weitere Alternativen zu begutachten gegeben hätte.

Wir trafen auf ein weiteres Paar aus der Schweiz, die diese Gegend seit vielen Jahren befahren und richtig ein bisschen überdrüssig geworden sind, weil es kaum etwas gibt. Von kulturellen Reizen wollen wir an dieser Stelle noch überhaupt nicht sprechen.

Auch meine Leute kennen das Problem. Schließlich sind sie die Tour vor neun Jahren schon mal gefahren und dabei fast verhungert. Was bin ich froh, dass ich erst später in diese Familie gekommen bin. Natürlich hatten sie sich auf die Diaspora vorbereitet, aber schließlich will man in Frankreich nicht aus der Dose leben, wenn zu einem guten Anlegemanöver ein leckeres Gericht und ein Gläschen Rosé gehört. 

Gut also, wenn man einen Junior hat, der einen ein bisschen mitversorgt. So bekam Herrchen eine Kiste alkoholfreies Bier, das es hier kaum gibt, Frauchen ihr gutes Olivenöl aus der Heimat und ich ein paar zärtliche Krauler hinter die Ohren. 

Und nur um auf Nummer sicher zu gehen und weil das Auto nun mal gerade vor der Tür stand, fuhren sie in den nächstgelegenen Supermarkt, um sich für die nächsten Tage zu versorgen. Was ich da so alles in den Kühlschrank wandern sah, machte mir durchaus Mut. 

Die Saône 

Der Sohnemann ist aber auch ein Kluger. Er stieß in Corre zu uns. Das ist die Endstation des Canal-des-Vosges und ab hier sollte die Lage besser werden. Zur Feier des Tages hatten wir uns für die schönere Marina entschieden. Die sollte auf jeden Fall ein Restaurant haben. An der letzten Schleuse, von übrigens über 90, die wir mittlerweile bewältigt hatten, gaben wir unsere Schleusenfernbedienung wieder ab, indem wir sie in einen Kasten warfen. Ab jetzt würden uns Bämbel begleiten. So nennen wir die dicken Schläuche die von einer Leitung herunterhängen und gedreht werden müssen. 

Ein kleiner Anlass, an dem man die Diskussionsfreudigkeit meines Rudels ablesen kann.  Hier wird nicht einfach zur Kenntnis genommen, dass man rechts drehen muss. Die Frage was rechtsherum in diesem Zusammenhang nun wirklich bedeutet und wie das Prozedere richtig zu verstehen sei, wurde den halben Vormittag ausgiebig debattiert und geprüft.  Und man soll es nicht glauben, jeder hat dazu eine eigene Vorstellung. Häufig höre ich nur mit einem halben Ohr zu, während ich so vor mich hin döse. So lange der Laden insgesamt läuft, besteht meinerseits kein Bedarf, um einzugreifen. Und der Laden lief in der Tat recht gut. 

Die Marina liegt also nach der Schleuse bereits in der Petite Saône und so konnten wir einen Blick auf den Hochwasserstand werfen und das beruhigte doch sehr. Ganz sanft konnten wir eintreten und direkt fühlen, dass das mit dem Fluss kein Problem werden würde. Die Marina war toll. Nur auf Hunde müssen sie sich noch ein wenig einstellen. Die haben da so richtig eklige Steggitter, die an Land führen. Und die sind für uns Vierbeiner die Hölle. Ich habe zwar als Welpe geübt, über jeden Bodenbelag zu stapfen, aber ein Vergnügen ist das barpfotig nicht. Ich hätte mir dieses Rudel jedoch nicht ausgesucht, wenn sie in so einem Fall nicht Abhilfe schaffen könnten. Als sie sahen, wie sehr ich mich abmühen musste, packten sie den Bollerwagen aus und ich verstand sofort. In dem bequemsten Shuttle-Service wurde ich nun unter amüsiertem Gelächter sämtlicher umliegender Bootsfahrer an Land gebracht. Milde lächelnd grüßte ich erhobenen Hauptes nach rechts und links und wahrte die Haltung. 

Jetzt da wir wieder zu Dritt an Bord waren, konnten wir unser Running-System ein wenig verändern. Wir spielten alle Rollen mal durch. Herrchen musste also auch mal an die Leinen, was er dringend nötig hatte. Frauchen und der Junior mussten sich am Steuer behaupten und in passgenaue Schleusen und durch enge Sicherheitstore manövrieren.  Eigentlich ist es für mich entspannter, wenn jeder so seine Aufgaben und Funktionen inne hat. Dann gibt es kaum Geschrei und Diskussionen und alles läuft getragen und lautlos wie in einem Stummfilm ab. Aber schnell kann es passieren, dass die Rollen getauscht werden müssen. Dann ist es gut, wenn jeder eine Ahnung hat, was auf ihn zukommt. Nur meine persönliche Verantwortung hier an Bord ist natürlich nicht delegierbar.

Der Junior fuhr sogar den dunklen und kühlen St. Albin-Tunnel. Es war ganz heiß an dem Tag und so waren die 860 m für mich eine erholsame Abwechslung, aber bestimmt nicht einfach zu steuern. Die kleine Saône bietet zwei solcher Tunnels an. Die sparen einem nämlich einige Fluss-Kilometer. Ebenso mussten wir mehrere Sicherheitstore passieren, die nach dem Hochwasser wieder offen standen. An der Vegetation konnte man übrigens gut sehen, wie weit das Wasser über die Ufer getreten war. Sie war heftigst schlammig verfärbt.

In der Saône wird es auch mit dem Essen besser. Meine Leute brachten jedenfalls gute Jagdbeute mit nach Hause und einmal durfte ich sogar mit. Am Freitag haben wir uns einfach an einen kleinen Steg mitten im Fluss gelegt und sind in ein nahegelegenes Strandbad gelaufen. Dort gab es lecker Burger und Pommes (mal wieder für mich). Doch ich lieb’s, wenn ich mit darf. Ich lege mich dann unter den Tisch und betrachte das ganze Kino, was um mich passiert, ohne die Futterquelle aus den Augen zu lassen.

Außerdem darf ich jetzt jeden Tag schwimmen und das finde ich richtig klasse. Das Wetter ist toll, es gibt immer den passenden Ausstieg für mich und die Ente fällt immer zum richtigen Moment ins Wasser. 

Nur eines ist blöd. Nach vier Tagen musste der Junior wieder heim und wir fahren ohne ihn weiter. Aber ich bin mir sicher, wenn bei uns die Versorgungslage eng wird, kommt er wieder angefahren. Vielleicht aber auch einfach so, um uns zu besuchen. Ich freu mich, so oder so.