Wüsste ich es nicht besser, so könnte ich glatt auf die Idee kommen, dass mich die beiden manchmal ein bisschen ärgern wollen. Den größten Stress, dem man mich aussetzen kann, ist, wenn ich mich zwischen den beiden entscheiden muss. Das war zu Hause schon heftig, aber jetzt auf Reisen, kann ich es gar nicht leiden, wenn der eine nach rechts und der andere nach links von dannen zieht. Ein typisches Szenario dieser Art findet kurz nach dem Anlegen statt. Während Herrchen uns in der Captainerie anmeldet, nimmt mich Frauchen an die Leine und will mit mir in einer komplett fremden Umgebung einfach weggehen, so als wollten wir ausbüxen. Sie erwartet dann von mir, dass ich so ganz einfach meine Geschäfte verrichte. Ich soll meine Muskulatur locker lassen, mich entspannen und einen Haufen abseilen. Dabei weiß ich überhaupt nicht, in welcher Gefahr sich der Rest des Rudels eventuell gerade befindet und ob nicht unter Umständen mein Eingreifen gefordert ist.
Denen meine Not beizubringen ist echt mühsam, aber so langsam haben es die beiden kapiert. Wir machen das kleine Geschäft nun direkt nach dem Aussteigen in Rufnähe des Hafenbüros und die große Runde findet am späteren Nachmittag statt: zu Dritt selbstverständlich! Das schont meine Nerven und damit die meines Rudels gleich mit. Die finden es nämlich ebenfalls nicht lustig, wenn ich plötzlich bocke und mich wie ein Esel keinen Millimeter mehr von der Stelle rühre.
Die Saône, ihre tollen Plätze und liebster Besuch
Nachdem wir also den Junior wieder in die Heimat entlassen hatten, schafften wir uns weiter auf dem schönen französischen Flüsschen in Richtung Lyon, unserem nächsten Etappenziel. Was gleich auffiel, waren die reichlich traumhaften Liegeplätze. Wir konnten immer zwischen sehr privaten Plätzen mitten in der Natur oder mittelgroßen Städten wählen, die alles zur Verfügung haben, was ein Bootsfahrerherz so begehrt. Auf dem Naturplatz schmissen wir den Grill an und wanderten durch das satte Grün. In Auxonne tummelten wir durch die Stadt, wuschen mal wieder Wäsche und füllten die Vorräte auf.
Als Nächstes sollte es nach Crêches sur Saône gehen. Unsere Freunde Angela und Thomas befanden sich auf dem Rückweg von ihrem französischen Urlaubsort. Was lange gewünscht und geplant worden war, sollte Ende der Woche Wirklichkeit werden, denn wir würden beide diesen kleinen Ort an der Saône erreichen – und das zum selben Zeitpunkt! Für die beiden passte es sogar prima als Zwischenstation für eine Nacht und so wurde alles getan, mich und das Boot in bestem Glanz erscheinen zu lassen. Zeitweise stieg ich aus dem Boot aus, um mir von außen zu betrachten, dass alles auf den ersten Blick wunderprächtig aussehen würde. Auch plötzliche Unwägbarkeiten wie eine wie aus dem Nichts auftauchende Schnakeninvasion konnten meine beiden Menschen nicht stoppen. Herrchen tauchte in die Tiefe des Unterschiffs ab und fand noch zwei Fliegennetze, die er nach eingehender Berechnung auf sieben Stück Blatt Papier maßstabsgetreu auf der Terrasse des Schiffs anbrachte. Frauchen sorgte für adäquates Befestigungsmaterial und packte ihre Wäscheklammern aus. So wird hier an Bord Großes geleistet.
Bei Ankunft der beiden durfte ich lernen, dass dieser Ort offenbar gar nicht so weit von unserer Heimat entfernt liegt, denn sie kamen locker angeradelt, wie ich das von zu Hause kenne. Auch sie schienen keinen Honig bekommen zu haben, denn sie brachten zwei fantastische Flaschen Rosé und zwei leckere Melonen mit. Es wurde ein fröhlicher Abend, an dem mal draußen, mal drinnen gesessen, viel gelacht und gegessen wurde. Selbstverständlich zeigte ich mich von meiner Schokoladenseite und trug viel dazu bei, dass sich die beiden bei uns ziemlich wohlfühlen konnten. Ich verbiss es mir schweren Herzens, ihnen das Essen von der Gabel zu schauen und machte sie auch mit meiner Pfote nicht darauf aufmerksam, dass ein Teil der Portion eigentlich für mich bestimmt ist. Gut, Herrchen sorgte stets für volle Gläser. Das hat bestimmt auch geholfen, denn schließlich hatten sich die Vier eine Menge zu erzählen. Jedenfalls war es schon sehr dunkel als die beiden schließlich wieder mit den Rädern nach Hause in die Nähe von Mommenheim fuhren. Ich habe schon mal nachgehört, dort sind sie und ihre Räder gut angekommen. Es war ein wunderschöner Abend und sie dürfen gerne jederzeit wiederkommen.
Ich sitze auf inkognito auf Stufe 1, falls Ihr mich übersehen habt.
Lyon ist immer eine Reise wert
Unser zweites Highlight befand sich 70 km die Saône abwärts. Diverse Male waren wir bereits an dieser Stadt vorbeigekommen. Immer dann wenn wir unsere Freunde Anne und Wolfgang an der Ardeche besucht haben. Einen genauen Blick haben wir nie auf dieses Fleckchen Erde geworfen, weil wir eben nur auf der Durchreise waren und zielstrebig dran vorbei fuhren. Schließlich wartete der kalte Sekt in Boussenac auf uns.
Woran ich merke, dass wir mal wieder in einer Großstadt unterwegs sind? Ich habe das Schiff tagsüber ziemlich für mich alleine. Das gefällt mir den ersten Tag recht gut. Ich kann endlich mal so vor mich hindösen, ohne dass mich jemand anspricht. Auch werde ich nicht von Essensdüften, die aus der Kombüse aufsteigen in meinen Träumen abgelenkt. Kommen die beiden dann zurück, haben sie stets was Nettes für mich im Gepäck. Im Anschluss gibt es dann einen besonders dicken Spaziergang und eine unendliche Krauleeinheit.
Für diese Stadt haben sie sich Räder ausgeliehen und ich hatte die kurzfristige Befürchtung, sie würden damit wie unsere Freunde nach Hause radeln. Weit war es ja nicht. Aber das war natürlich nicht der Fall. Das Zentrum befand sich etwa 3 km vom Hafen entfernt. So würden sie schneller wieder bei mir sein und sich ihr üppiges Essen, was es in dieser Stadt zuhauf gibt, gleich abtrainieren können. Das Ausleihen ist so wunderbar einfach organisiert, dass sogar ich das hinbekommen würde. Die Diskussionen der beiden habe ich beim Weggehen mit einem halben Ohr noch mitbekommen: Herrchen hätte lieber die Bahn genommen, aber Frauchen wollte unbedingt aufs Rad. Herrchen traute dem System nicht, dabei war das eine ganz dolle Sache: Man kauft sich einen Tagespass für 4 € pro Person. Dann kann man sich Räder so oft und überall in der Stadt ausleihen, wie man es braucht. Das klappt total easy und die Stationen finden sich wirklich überall.
Den ersten Tag verbrachten sie in Vieux Lyon, also in der Altstadt. Dabei stromerten sie durch die vielen verwinkelten Gassen und Höfe, gingen in ein Café, in dem man sein eigenes Croissant aus der Bäckerei mitbringen durfte. So frühstücken die Franzosen oft. Gestärkt bestiegen sie den Berg zur Basilika der Notre-Dame im Fourvière und konnten einen atemberaubenden Blick auf die großartige Stadtinsel werfen, die von Saône und Rhone umarmt wird.
Am zweiten Tag verschlug es sie, mit einem neuen Tagespass ausgestattet, in das Viertel Bellecour. Das ist eher der moderne Teil und gilt als die Shoppingmeile der Stadt. Viel haben die beiden aber nicht gebraucht: die Postkarten für Oma und Opa, das Musst-have Kettchen für Frauchen und Lavendel, falls die Schnaken den Weg von Crêche in die Stadt finden.
Damit sie auch von ein bisschen Bildung erzählen können, gingen sie vor dem Mittagessen noch in ein tolles Museum. Das Musée de l’Illusion präsentiert spannende Phänomene, die das Auge und die eigene Wahrnehmung gelungen hinters Licht führen. Zwischen Hologrammen, Kaleidoskopen, visuellen Rätseln, Zerrspiegeln, Illusionsspielen und anderen multidimensionalen Räumen kann man leicht die eigene Orientierung verlieren. Aber man verbringt dort eine unglaubliche Zeit, in der optische Täuschungen die Hauptrolle spielen! Eigentlich hätten sie dort noch eine ganze Weile bleiben können. Aber es gibt ja schließlich noch mich. Außerdem wollten sie dort noch ein leckeres Mittagessen einnehmen. Bildung hin oder her. Es muss sehr lecker gewesen sein. Jedenfalls zeigte das das kleine Stückchen, das ich kosten durfte.
Morgen geht es also weiter. Dann fahren wir in die Rhone ein und ich habe es in der Nase: Da steht wieder etwas auf dem Plan. Bis dahin muss ich mich erstmal auf meinem neuen Überwurf von der Großstadt erholen.

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