Dann fand er statt: der fliegende Wechsel. So schnell konnte ich gar nicht mit den Ohren schlackern und dem Schwanz wedeln, wie die einen plötzlich weg und die nächsten an Bord waren. Es reichte nicht mal für eine gemeinsame Tasse Kaffee und ein bisschen großes Rudel-Feeling. So flink saßen Tantchen und Onkel in dem Auto, mit dem der Junior und seine Schwester angereist kamen. Seit Wochen hatten wir die gesamten An- und Abreisen in logistischer Feinarbeit ausgetüftelt. Ist ja nicht so ohne, wenn man mit dem Auto in die Ferne reist, aufs Schiff umsteigt und das Auto zurücklassen muss.

Letztendlich griff man zu guter Letzt auf meine brillante Ausarbeitung zurück. Es dauerte eine geschlagene Weile bis ich mich über die gesammelte Begriffsstutzigkeit meiner Menschen hinwegsetzen konnte. Nachdem ich es aber diverse Male erklärt und aufgemalt hatte, hatten es alle Anwesenden durchdrungen: Demnach kam Crew Nr. 1 mit dem eigenen Auto angefahren und ließ es sicher in einem Parkhaus in St. Raphael stehen. Crew Nr. 2 kam nun ebenfalls mit Auto Nr. 2 nach Nizza und übergab selbiges – natürlich erst nachdem sämtliche Leckereien ausgeladen waren – an Crew Nr. 1, die damit nach St. Raphael fuhr, um dort wieder in ihr eigenes Auto umzusteigen. Unseres wurde im selben Parkhaus auf dem Nachbarparkplatz abgestellt.

Wir würden auf unserer Rückreise ebenfalls wieder in St. Raphael vorbeikommen und nach langem Durchspielen sämtlicher Möglichkeiten hatte ich mich entschieden, das Auto parallel eine Weile mitzunehmen. Ich bestimmte Frauchen als Fahrerin. Schließlich hatte sie nun schon länger Boot fahren dürfen. Mir spielte es ganz nebenbei ebenfalls in die Karten: Nach dem gesamten Wellengeschockel war ich ganz froh über ein bisschen Abwechslung und so teilte sich die Crew. Der Vorteil bestand darin, dass wir das Auto mit bis ans Ende der Tour nehmen konnten (Port-St. Louis). Von da aus, würden wir die beiden Juniors nach Marseille bringen, wo sie in den TGV steigen konnten. Wir hatten das Auto am Ziel, wo wir alles, was wir im Schiff hatten, ausräumen und mit nach Hause nehmen konnten. Clever ausgedacht. Aber so weit waren wir ja noch nicht.

Monaco war sich zu fein für uns

Den ersten Tag genossen wir erst mal uns und Nizza. Schließlich kannten Junior und Juniorline die Stadt noch gar nicht. War mir recht. Schließlich hatte ich neue leckere Zahnbürsten und ein neues Schwimmtier bekommen und war damit im siebten Himmel.

Als die Vier von ihrer Sightseeing-Tour zurückkamen fiel mir auf, dass Frauchen mit einem ziemlich blauen und dicken Fuß zurückkam und nur noch humpelnd an Bord klettern konnte. Dusseligerweise war sie der Meinung gewesen, einen Bordstein übersehen zu müssen, während sie sich unterhielt, Multitasking lässt grüßen. Dafür hat sie sich noch nicht mal ein äußerst schwieriges und abenteuerliches Schiffsmanöver ausgesucht, sondern eine kleine unscheinbare Gehsteigkante von 5 cm Höhe. Können ist anders und Herrchen kann von Glück sagen, dass er Unterstützung von zwei tatkräftigen, jungen Leuten hatte. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie das sonst hätte weitergehen sollen. Ich kann ja vieles, aber nicht alles. 

Man besorgte schnell eine Fußbandage in der Apotheke, die gut half, kühlte die lädierte Stelle und so konnte das Programm wie geplant weiter gehen. Das sah vor, den ersten Schlag nach Monaco zu machen. Schließlich wollte man sich für einen Abend schick und das Casino unsicher machen. Der kleine Stadtstaat hält sich aber für etwas ganz Besonderes und so wollte der Hafen im Vorfeld Unterlagen geschickt haben, die man nicht mal benötigt, wenn man sich beim tuvalusischen Geheimdienst bewerben möchte. Da wir gar nicht alles verstanden, rief der Captain dort an und vereinbarte mit dem diensthabenden Beamten, dass wir erstmal kommen sollten. Dann würde man schon einen Platz für uns finden. Gesagt, getan. Wir fuhren 20 km nach Monaco, nur um dort abgewiesen zu werden. Man hatte kein Herz für uns und unsere Spielambitionen und so trollten wir uns von dannen. Der nächstgelegene Hafen schien ebenfalls voll zu sein. Die gaben erst gar keine Antwort auf unseren Funkspruch. Und so wurde es Antibes, ein beschauliches Städtchen, das uns herzlich aufnahm und uns einen schönen Abend im Herzen des Hafens bescherte. 

Einen Tag später war dann St. Raphael an der Reihe. Dort bekamen wir keinen Platz und mussten weiter. Frauchen und ich wurden kurzerhand an Land gelassen und machten uns mit dem Auto auf den Weg zu unserem Ziel nach Cogolin. Mir machte das den totalen Spaß. Ich hatte die Rückbank ganz für mich alleine, streckte mich der Länge nach aus und hatte weder mit Wellen noch mit Übelkeit zu kämpfen. Da wir Zeit hatten, verzichteten wir auf Autobahnen und fuhren am Meer entlang. Wir konnten unterwegs Besorgungen erledigen und hatten am Abend das Auto zur Verfügung, wenn es mal etwas weiter weg gehen sollte.

Allerdings brauchte ich ein paar Tage, um das System zu verstehen. Am Morgen hatte ich schon ein bisschen Angst, wenn ich mit Frauchen von Bord ging. Vielleicht waren wir jetzt die Crew, für die die Reise zu Ende war? Vielleicht würde ich mit ihr jetzt nach Hause fahren, während die anderen noch weiter an der französischen Küste entlang fahren konnten? So fiel mir jeden Abend ein Stein vom Herzen, wenn unser Schiff und die Crew im Hafen auftauchte und wir alle wieder zusammen waren. 

Etwas diffizil wurde es in Cassis. Sowohl für die Crew als auch für uns. Es hatte sich wieder ein 4er Wind angekündigt, der in einen 5er übergehen wollte. Deshalb hob ich sofort die Pfote, als es darum ging, wer Auto und wer Schiff fährt. Für unsere Restroute konnten wir uns aber keinen weiteren Tag Pause gönnen. Schließlich hatten wir im Trockenhafen bereits einen Termin vereinbart, an dem das Schiff sicher aus dem Wasser musste. 

Während die Wassercrew ziemlich mit den Wellen kämpfen musste, drehten wir über zwei Stunden unsere Runden durch die Stadt, bis wir endlich einen Parkplatz fanden, der bezahlbar war und in der Nähe des Hafens lag. Die Wassercrew kämpfte über Stunden mit ziemlich heftigen Wellen und bekam den einen oder anderen Schwall Wasser durchs Fenster. Zu Erkundungszwecken wollten sie in den benachbarten Calanque anlegen, die unter Schiffsfahrern ziemlich berühmt und angesagt sind. Diese fjordähnlichen Küsteneinschnitte laden zum geschützten Anlegen ein. Da sie mit unserem dicken Brummer nicht ganz so tief einfahren konnten, torpedierte der Wind das Anlegemanöver ziemlich heftig. Ein sicheres Anlegen gelang kaum und so kehrte die Crew fast zeitgleich mit uns in den Hafen zurück.

In Cassis würden wir drei Tage bleiben, bevor es in einem letzten großen Schlag bis in den Hafen in Port-St. Louis ging, wo wir vor fast vier Wochen ins Meer eingetreten waren. Wir genossen drei Tage den Ort, der ausgesprochen entzückend zu betrachten war und ließen die Seele locker baumeln. Endlich hatten die beiden Junioren mal so etwas wie Urlaub. Wir wanderten zu Fuß in die Calanque, die sich als atemberaubend schön entpuppte. Mein Junior-Chef und ich gingen sogar ins Wasser und er trug mich dabei auf Händen. 

Und auch wenn man nach so vielen Wochen fast kaum mehr in der Lage ist, neue Eindrücke aufzunehmen, so war uns klar, dass Cassis ein bezaubernder Ort ist und es bei nur drei Gastliegeplätzen für uns ein großes Glück war, dass wir dort drei Tage residieren durften.

Ende gut – alles gut!

Dann war der Tag des Abschieds gekommen. Der TGV wartete schließlich nicht. Der Abschied würde aber nicht von langer Dauer sein, denn auch für uns ging die Zeit auf dem Schiff zu Ende. Wir würden noch aufräumen, ausmisten und das Schiff fest für den Winter machen, um dann ebenfalls nach Hause zu fahren. 

Und wie soll ich sagen, die Zeit passte perfekt. Auch wenn es hier im Süden noch angenehm warm war, spürte man langsam den Herbst Einzug halten. Anders als bei unserem ersten Aufenthalt, waren kaum noch Schiffe bewohnt. Wenn doch taten die Menschen genau das gleich wie wir. 

Drei Tage später hatten wir alles geschafft. Das Schiff war innen und außen geputzt, die wichtigsten Sachen waren vergepackt und die Bootsutensilien gut verstaut. Am Morgen des 16. Septembers fuhren wir ein letztes Mal mit dem Boot in den Trockenhafen ein und unser Schiffchen wurde professionell und unfallfrei aus dem Wasser geholt. Es hat nun seinen Platz für den Winter gefunden und wir werden sehen, wie es im kommenden Jahr für uns weiter geht. Ein bisschen traurig war es schon, unser Zuhause der letzten drei Monate einfach so zurückzulassen. Aber ein Stahlschiff muss über den Winter aus dem Wasser, denn das Salz würde die Außenhaut zu stark angreifen. Außerdem muss das Unterschiff nach der Saison gesäubert und von Muscheln befreit werden.

Bis unters Autodach beladen, machten wir uns auf den Heimweg. Wir machten noch einen Zwischenstopp bei unseren Freunden in Boussenac und freuten uns von Herzen, dass wir in diesem Jahr nochmal schön beisammen sein konnten.

Ich bin echt dankbar und freue mich unbändig, dass ich in so einem quirligen Rudel gelandet bin. Auch wenn ich manchmal über die nervigen Wellen meckern musste, so weiß ich doch sehr zu schätzen, dass ich so ein abwechslungsreiches Leben führen darf, viel rumkomme und wir bislang die notwendige Portion Glück im Gepäck hatten. 

Und natürlich freue ich mich über Euch, meine Leserschaft, die mich so treu begleitet, wie ein Labbi das auch stets tut. Danke dafür, ihr hört von mir, wann immer wir auf Reisen sind. 

Eure Leila