Die französische Küche ist exakt meine. Allem voran ein Stück herrlich frisches Baguette, das Herrchen und ich jeden Morgen vom Bäcker bekommen. Dafür laufen wir täglich unserer Nase nach, bis wir den unvergleichlichen Duft von frisch gebackenem Brot erschnuppern.
Sobald ich den in der Nase habe, zeige ich Herrchen das Geschäft, setze mich adrett davor und gebe ihm ein Zeichen, dass er jetzt Kontakt mit der Boulangerie aufnehmen kann. Wenn er dann mit geschossener Beute zurückkommt, gehen wir diskret ein paar Schritte auf Seite und ich bekomme meinen obligatorischen Anteil. Dieses Ritual begann in Schwebsange und heute, keine neun Tage später sind wir eingespielt wie ein altes Ehepaar und bringen die leckersten Wutzereien aufs Schiff.
Zwei Tage Luxemburg zeigen uns das Tempo der Reise
Auch wenn das kleine Land samt seiner Bewohner ein sehr entzückendes ist, war es nur ein kurzer Durchgangspunkt auf unserer Reise, der um einen Tag erweitert wurde, weil die Tankstelle trotz der Ankündigung eines Bootskollegen doch noch nicht spontan in Betrieb ist. Dieser Punkt war für uns jedoch nicht diskutabel, denn erstens ist es die letzte Tankmöglichkeit vor der Saône und zweitens ist der Sprit hier natürlich um einiges günstiger. So was nehmen wir immer mit. Schließlich kann man von dem Ersparten wieder essen gehen. Und das ist mir äußerst wichtig.
Die Gelegenheit schien zunächst günstig. Wir kamen am Montag an. Am Dienstag sollte der Tankwart kommen, so war die Aussage der äußerst sympathischen Hafenmeisterin mit eigener Geschichte. Auch sie war schon mit ihrer Peniche durch den Kanal gereist und beneidete uns deswegen sehr um unser Vorhaben.
Früh am Morgen legten wir auf direktem Weg am Tanksteg an und warteten. Erst bis um 9 Uhr, dann bis um 10. Schließlich wurde es drei Uhr nachmittags. Wir überlegten kurz, ob wir nach dem Tanken eine Station weiter wollten, verabschiedeten uns aber schnell von dem Gedanken. Wir wollten diese Reise ja ohne Zeit- und Termindruck angehen. Darüber hinaus wollte uns die deutsche Nationalmannschaft am Abend ins Viertelfinale schießen und das wollten wir auf keinen Fall verpassen. Also blieben wir. Das Viertelfinale bestreiten jetzt andere, unser Tank ist dafür randvoll.
Der erste Schritt nach Frankreich ist Metz
Ein kleines Stück Paris, wie meine beiden Leute immer sagen. Wir hatten den Tag davor ein wenig draufgehalten und waren die 62 km plus 6 Schleusen in einem Rutsch gefahren. Damit hatten wir uns einen ganzen Tag Zeit für das entzückende Städtchen rundum die Kathedrale St. Etienne herausgefahren. In größeren Städten habe ich das Schiff ja immer ein bisschen mehr für mich, weil die sich alles angucken wollen. Aber gegen Mittag holten sie mich ab und wir gingen gemeinsam in ein nettes Bistro zum Essen. Das Wetter war verträglich und so konnten wir draußen Platz nehmen. Ich zeigte mich von meiner besten Seite, ließ mich direkt neben dem Tisch nieder und wurde unsichtbar. Trotzdem kam der Koch mal kurz an mir vorbei und ließ mir dann von der sehr freundlichen Bedienung einen Gruß aus der Küche bringen. Ein Näpfchen mit 1 a frischem, rohem Fleisch wanderte vor meine erstaunte Schnauze und ich glaube langsam, dass Hunde in Frankreich ein sehr gutes Leben führen können. Wie auch die Hafenmeisterin aus Schwebsange, kann auch ich das kleine Restaurant nur empfehlen.
Toul nie wieder auf dem Wasserweg
Die nächsten Tage bis Toul verliefen ruhig und ohne besondere Vorkommnisse. Ich konnte sehen, wie sich meine beiden Zweibeiner immer mehr einspielten und das gibt auch mir ein beruhigendes Gefühl. So waren sie vor den drei „Stadtschleusen“, die nach Toul führen auch nicht sonderlich aufgeregt. Sie wussten zwar noch, dass die recht heftig scheppern, aber zwischenzeitlich sind wir Drei ja richtig gut.
Die Schleusen an sich klappten auch recht gut. Sie sind in der Tat ziemlich wirbelig und zwar schon bevor es richtig losgeht, aber das war nicht das Problem. Wirklich schlimm war das gesamte Kraut, das sich direkt nach der ersten Schleuse angesammelt hatte. So hatten wir uns das Gestrüpp postwendend eingesogen, den Filter verstopft und dampften wie ein kaputter Traktor. Ist mir echt immer ein bisschen peinlich, so unterwegs zu sein. Aber wenn den Kram niemand wegmacht?
Das allein war aber auch noch nicht das Übelste. Richtig schlimm wurde es in der letzten Schleuse vor dem Hafen, als sowohl das Getriebe als auch das Bugstrahlruder gleichzeitig ausfielen. Wir schafften es noch in die Schleuse, fuhren aber zu weit an der Treppe vorbei, sodass Frauchen nicht hochklettern konnte, um die Leinen zu befestigen. Während sie noch ratlos mit den Leinen in der Hand auf eine Eingebung wartete, tauchte von oben ein Engel in Gestalt der Schleusenwärterin auf und nahm freundlich lächelnd beide Leinen entgegen.
Nach über einer Stunde endlich am Liegeplatz angekommen, öffneten wir den Motorraum und nahmen das verstopfte Kühlsystem unter die Lupe. Wir befreiten alles so gut es ging und hatten dann erstmal Ruhe. Aber am nächsten Tag mussten wir dieselben drei Schleusen ja wieder retour und das brachte uns einen weiteren Boxenstopp ein, indem wir wieder alles von dem Kraut befreien mussten. Nach der letzten Odyssee im vergangenen Jahr in Frankreich hatten wir selbstverständlich dazu gelernt und waren nun mit einer Luftdruckpistole und einem sehr langen Draht bewaffnet, sodass wir uns erstmal weitgehend von dem Schmodder befreien konnten.
Das Leid am Ankunftsabend in Toul hielt jedoch nicht lange vor. Erstens erfuhren wir, dass es im Kanal sehr viel besser werden würde und zweitens gingen wir blendend essen. Was die Zwei da wieder für mich mitbrachten, lässt mich ernsthaft darüber nachdenken, ob ich nicht in Frankreich wohnen bleibe.
Canal des Vosges – Wir kommen um zu bleiben
Die Säuberungsprozeduren mussten wir noch ein, zweimal wiederholen. Das Kraut schien überall zu stecken. Das bekamen wir noch den ganzen Tag zu spüren. Aber am späten Abend verließen wir die Mosel, verabschiedeten uns von der Berufsschifffahrt und traten in den Canal des Vosges ein. Jetzt, da war ich mir sicher, würde ich viel zu sehen bekommen. Die dortigen Schleusen funktionieren automatisch. In Neuve-Maison erhält man eine Art Fernbedienung, mit deren Hilfe man die einzelnen Schleusen von nun an in Gang setzt. Zuerst wird das Wasser für uns vorbereitet. Bei grüner Ampel können wir einfahren und uns festmachen. Dafür muss Frauchen aber jedes Mal die Leiter hochkraxeln und Herrchen die Leinen passgenau werfen. Liegt man dann fest, wird der Schleusungsprozess mit dem Hochziehen einer Stange in Gang gesetzt. Typisch für die kleinen französischen Schleusen ist, dass das Wasser mit ziemlich viel Tempo angeschossen kommt. Man muss sich also wirklich gut festmachen. Herrchen hatte sich da so ein besonderes System ausgedacht, was ihn dazu befähigen sollte, die Leinen alleine unter Kontrolle zu halten. Nun ja, es hielt genau eine Schleuse lang dann wurde modifiziert.
Von meinem Beobachtungsposten aus, den ich bei wirklich jeder Schleuse einnehme, könnte ich durchaus den ein oder anderen wertvollen Tipp in die Runde werfen, aber als alte Pädagogin habe ich gelernt, dass selber entdecken viel besser für den Lernprozess ist, und meine beiden Eleven stellen sich so blöd gar nicht an.
Im ersten Schritt übernimmt nun jeder eine Leine. Herrchen unten auf dem Schiff, Frauchen oben an der Schleuse. Zweitens ziehen wir es vor, alleine zu schleusen. Meist bekommen wir nämlich den Vortritt, weil wir das größere Schiff sind, dann bekommen wir die volle Ladung mit allen Kräften ab, während die Nachhut in unserem Windschatten gemütlich eine Etage nach oben fährt. Sind wir alleine können wir uns weiter nach hinten legen. Das führt dazu, dass wir auf der Seite anlegen können, an der Frauchen rausmuss. Das erspart ihr das höchst zügige Umrunden der Schleuse, um die Leinen auf der anderen Seite entgegen zu nehmen.
Charmes – ab jetzt im Gänsemarsch
Und dann kamen wir nach Charmes, wo uns charmanterweise zwei Bootsfahrer zu Hilfe eilten, um unsere Leinen aufzufangen und uns im selben Atemzug darüber aufzuklären, dass der Kanal weiter südlich, offenbar kurz vor Corre, aufgrund eines Unfalls komplett gesperrt sei. Es sei wohl bis zum 15. Juli ab dort kein Weiterkommen möglich. Zusätzlich hätten sich schon ganz viele Boote dort versammelt, die darauf warteten, durch das Nadelöhr zu schlupfen.
Ein Anruf beim VNF bestätigte das. Wir fahren nun also noch viel langsamer als geplant. Aber ich habe schon mal meine Nase in den Wind gehalten. Auch hier scheint es leckere Bäckereien zu geben. Die werden wir jetzt alle einzeln abklappern.
A bientôt mes chers, restez fidèles à moi et passez un bon moment, votre Leila
