Rief das Schiff und reckte sich stolz mit seinen beiden Masten gen Himmel. Ich verstand das gesamte Getöse nur halbwegs, aber die Aufregung schien groß. Direkt am Freitagmorgen ging es ganz früh los. Das kommt bei uns öfter vor, aber sehr schnell durfte ich mich wundern, denn bereits nach 2 km legten wir wieder an und die Umgebung sah, naja sagen wir sehr arbeitsreich aus. Es gab einen Riesenkran, viele aufgebockte Schiffe und so konnte ich mir in Ruhe betrachten, wie so ein Schiff unten herum ausschaut. Bevor ich jedoch mit meiner Recherche fertig war, wurden wir aufgerufen und durften bis direkt an den Kran fahren.

Kaum dort angekommen, fing das Monstrum an zu brummen und hob unsere beiden Masten, die so treu die gesamte Zeit längs über dem Schiff liegend mitgefahren waren von Bord. Würden wir die armen Dinger hier zurücklassen? Natürlich nicht, der Kran hob sie an und stellte sie in ihrer vollen Größe wieder auf. Die Sache wurde zunehmend spannender. Immer jedoch, wenn ich mir die Vorgänge aus der ersten Reihe, also mitten auf dem Vorschiff, betrachten und den baumelnden Mast mal ausgiebig beschnuppern will, erweist sich Frauchen als siegessichere Spaßbremse und schickt mich ins Schiffsinnere. Der Unterschied zu vorher ist mir allerdings sofort aufgefallen. Wir sehen jetzt wieder komplett und stolz aus. 

Den Rest des Tages verbrachten die beiden mit der Fertigstellung der Masten, der Bäume, dem Ordnen der Leinen sowie dem Aufziehen der ersten Segel. Eigentlich hatten wir noch einen Tag länger in Port Saint-Louis bleiben wollen, als jedoch der Mistral mit 7 Beaufort an die Tür klopfte. So entschieden wir schnell um, zurrten alles Nötige fest und machten uns voller Erwartung auf nach Marseille. Dort würden wir fast eine ganze Woche bleiben, also ausreichend Zeit, das Schiff fertig für das Meer zu präparieren und ein wenig Sight-Seeing in der doch sehr pulsierenden Hafenstadt zu betreiben. 

Marseille – am Tage schön, in der Nacht gefährlich

Normalerweise, wenn wir irgendwo anlegen will ich sofort von Bord, um meine neue Welt zu erobern. Das ein oder andere Mal bin ich einfach so auf den Steg gehüpft, weil es mich nach draußen zog. Ich liebe es die neuen Gerüche aufzunehmen, die Restaurantlandschaft zu sondieren und durch die Gassen zu stromern. Marseille aber hat mich von der ersten Sekunde an total verwirrt und meine Welt auf den Kopf gestellt. Nach unserer ersten Runde wusste ich nicht mehr, was ich von den Marseillaisern halten sollte. Wir bewegten uns natürlich sofort in die zweite Reihe, um meine Geschäfte zu erledigen und dort stank es, dass es für meine Hundenase kaum auszuhalten war. Ich konnte nur noch flach atmen – und dass bei 36 Grad. Es roch wie Hölle und von meinen Artgenossen stammte das mit Sicherheit nicht. Ich konnte fast nicht machen. Frauchen musste mit mir so lange auf dem Parkplatz bleiben, bis ich ganz schnell meine Dinge erledigte und wieder aufs Boot wollte, um über das Erlebte nachzudenken. Nach reiflicher Überlegung bin ich zu dem Schluss gekommen, dass die Menschen in Marseille einfach noch nicht stubenrein sind und noch ein bisschen Übung in Sachen Sauberkeitserziehung brauchen. Oder es gibt dort keine Toiletten. Anders kann es nicht sein.

In dem sehr beeindruckenden Hafen bekamen wir einen Seiten-Liegeplatz, das fand ich noch richtig klasse. Der Mann von der Capitainerie machte uns nachdringlich darauf aufmerksam, dass wir unbedingt abschließen sollten. An diesem Steg würden verschiedene Ausflugsboote anlegen. Wir wunderten uns ein bisschen, aber da wir das sowieso auf diese Art handhaben, war das kein Problem. Als die beiden Schiffe in der Folge anlegten, waren wir weiter verwundert. Dort stiegen nämlich lauter nette und gut gelaunte Ausflugsgäste ein und aus und es gab eine Menge zum Gucken für mich. Manche waren sogar extrem begeistert von mir, sodass ich manche Krauleeinheit abbekam. 

Auch als niemand von den Ausflugsschiffen am Ende die Tür zum Steg wieder abschloss, machte uns das keine Gedanken. Bis es dämmerte und nicht nur die Schnaken den Steg unsicher machten. Die beiden Ausflugsschiffe fahren beide am Abend nochmal raus in die Calangue und was dann so über den Steg flanierte, wurde immer unheimlicher. Reichte es nicht, dass die Straßen schon markiert waren, nun wurde auch noch direkt vor unserer Haustür ins Meer markiert. Ich hätte die alle ja schamlos verbellt, aber ich bin ein gut erzogenes Mädchen und auch meine Leute schienen sich erst mal nicht aufzuregen. Manche von denen haben uns dann doch eine Kassette ins Ohr gedrückt, wollten mit uns nach Deutschland fahren und Gunys Tochter heiraten. Das haben wir den beiden aber ganz kräftig ausgeredet. Als sie den zweiten Abend kamen und immer noch mit uns verreisen wollten, mussten wir allerdings leider ein bisschen unfreundlich werden. Und als einer aufs Boot kam, um ein Foto mit mir zu machen, bekam ich schon ein bisschen Magengrummeln.

Überhaupt hat die Stadt ein ziemlich bedrückendes Flair, wenn man die Promenade rund um den Hafen verlässt. Viele Menschen haben ihr Zuhause auf der Straße, sogar Mütter mit ihren Kindern, ganz traurig zu gucken. Deswegen sind wir eigentlich nur raus, wenn wir Dinge zu besorgen oder ich etwas zu entsorgen hatte. Wahrscheinlich sind wir der Stadt nicht sehr gerecht geworden und es gibt bestimmt entzückende Plätze und Orte , die wir hätten entdecken können, aber wir waren durch das Ambiente schon schwer beeindruckt, so dass wir unsere Erledigungen verrichteten und ab dem frühen Abend wie die Schießhunde darauf achteten, dass die Tür abgeschlossen blieb.

An Bord gab es eine Menge zu erledigen. Das letzte Segel musste noch aufgezogen werden, die Leinen richtig vertäut. Die Elektrik, die von den Masten ausging, musste wieder installiert werden. Das Vorschiff musste aufgeräumt und neu organisiert werden. Es dauert nicht mehr lange, dann zieht der Kaptäin nach draußen, um dort zu schlafen. Nicht dass Ihr denkt, Frauchen hätte ihn rausgeschmissen. Er hat sich das selbst so überlegt, weil er es sich toll vorstellt am Meer draußen zu schlafen. Dann bekäme Frauchen ihr Prinzessinnen-Zimmer zurück. Ich denke, deswegen hat sie es ihm auch nicht ausgeredet.

Dann kam der Fluch-Nachmittag. Da haben die beiden nur geflucht. Zwei Gangways sind ja mit auf Reisen gegangen. Die eine für mich, extra von Herrchen gebaut und die zweite für meine Menschen. Damit wir alle, jetzt wo wir nicht mehr seitlich anlegen können, sicher an Land kommen. Nur so, wie sich die beiden das vorgestellt hatten, lief es überhaupt nicht. Beide Stege waren nicht so zu installieren, dass man sie würde einfach runterlassen können. Der eine schwenkte eigenmächtig von links nach rechts, ohne dass wir ihn in den Griff bekamen, der andere klappte permanent ein, bevor er das Ufer erreichte. Entnervt gaben sie an diesem Tag auf und verschoben das Projekt auf den nächsten Tag. 

Am folgenden Vormittag wurde die Lösung gefunden. Die alte Heckleiter wurde aktiviert und über diese können die Menschen nun aussteigen. Wenn wir dann an Land festgemacht haben, kann mir der Steg gebracht werden und ich stolziere über den roten Teppich an Land. Frauchen übte weiter mit dem Super-Douper-Bootshaken, damit sie auch ohne Aussteigen die Heckleine ausbringen kann – und zwar an jeden Ring und an jede Klampe.Zwar hat sie das System noch immer nicht verstanden, aber das der Haken lässt sich rein intuitiv und gut anwenden.

Nichts wie weg

Am sechsten Abend in Marseille wollte Frauchen einfach nur noch weg. Sie ist halt doch ein Landei. Neben dieser doch ein wenig gruseligen Atmosphäre am Abend ist diese Stadt wirklich niemals still. Gab es an dem einen Abend ein Konzert vor dem Hotel de Ville, fand am nächsten Abend auf dem Nachbarschiff ein Riesengeburtstag bis in die frühen Morgenstunden statt. Die Tribüne des Konzerts wurde bis tief in die Nacht abgebaut, die Sirenen rasen gefühlt alle drei Minuten rund um den Hafen. Nach einer gewissen Zeit kommt man selbst einfach nicht mehr zur Ruhe. Zum ersten Mal auf unserer gesamten Reise waren wir froh, dass unsere Zeit vorbei war und wir weiter reisen konnten. Aber eben in dieser Abwechslung liegt die Würze. 

Jetzt würde die schöne Seite der Küstenfahrt kommen. Von der Cote d’Azur hatte ich schon viel gehört. Es würde bestimmt schick und lecker werden. Nur die Überfahrten dorthin waren für mich ein bisschen beschwerlich. Ich gebe es offen zu, mein Highlight sind die Wellen nicht. Als seekrank würde ich mich zwar nicht bezeichnen, aber nach all der sanften Flussfahrt muss ich mich auf das Geschockele erst einstellen. Natürlich darf ich mich nicht wie sonst, frei auf dem Schiff bewegen – Spaßbremse lässt grüßen. Ich muss hinten auf die Terrasse oder ganz ins Innere des Schiffes, bekomme dafür aber die ein oder andere Massage, die mir das  permanente Hin und Her ein wenig versüßt.

Das Anlegen und Aussteigen klappt übrigens prima. Das liegt auch daran, dass diese ganzen Marinas wirklich perfekt organisiert sind. Man meldet sich über Funk bei der Capitainerie oder wird direkt an der Einfahrt von einem Schlauchboot in Empfang genommen. Das begleitet einen zum zugewiesenen Liegeplatz und das Personal hilft so lange beim Anlegen, bis man sicher liegt. Ich bin mir sicher, dass sie sich damit eine Menge Ärger ersparen, gerade wenn die Stege, so wie jetzt ziemicj voll sind. Frauchen muss jedenfalls nicht auf Kommando an Land springen, beide Heckleinen anbringen und sich fast gleichzeitig die Mooringleinen schnappen, das Schlauchboot in den Griff bekommen sowie das Schiff zum Nachbarn absichern. Sie macht nun alles einfach nach Anweisung der Capitainerie und findet das sehr angenehm. 

Den ersten Hundestrand habe ich übrigens auch schon genossen. Da sind die Franzosen ganz toll. Da liegen übriges auch Leute, die gar keinen Hund haben und sich gar nicht beschweren, wenn ich mich vor ihren Füßen ausschüttele. 

Ich finde es hier klasse, nach all der Ruhe am Kanal ist jetzt endlich mal ein bisschen Trubel angesagt. Wir müssen aber weiter, denn es kommt Besuch, den habe ich schon in der Nase.